Der Lebensmittellogistiker will investieren. Er baut seine Infrastruktur aus und plant, über Zukäufe zu diversifizieren.
Die Nagel-Group will nach der erfolgreichen Restrukturierung in den kommenden Jahren wieder kräftig investieren – in Zukäufe und in die eigene Infrastruktur. Dies kündigt CEO Carsten Taucke gegenüber der DVZ an.
So will der Lebensmittellogistiker weiter diversifizieren. Konkret peilt Taucke eine Akquisition in der Pharma-/Gesundheitslogistik an. Gesucht werde ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 300 Millionen Euro, einer EBIT-Marge von mindestens 5 Prozent sowie einem Schwerpunkt im europäischen Markt, definiert er seine Vorstellung. Dabei geht es ihm nicht um Synergien für das bestehende Netz der Nagel-Group, sondern ein eigenständiges neues Standbein.
Allerdings mangele es derzeit an entsprechenden Targets mit realistischen Preisvorstellungen. Vor einigen Jahren „hatten wir bereits ein tolles Akquisitionsziel, aber das war damals eine Nummer zu groß“, ärgert er sich angesichts der coronabedingten Entwicklung dieses Geschäftsfelds.
Bereits im vergangenen Jahr haben die Versmolder bekanntlich den Kontrakt- und E-Commerce-Logistiker B+S-Gruppe mit Sitz in Borgholzhausen nahe Bielefeld erworben. „Damit haben wir E-Commerce-Kompetenz hinzubekommen, können bisherigen Nagel-Group-Kunden, die in den E-Commerce einsteigen, ein entsprechendes Angebot machen und bündeln bei B+S lebensmittelnahe Trockenwaren“, erläutert er.
Doch die Nagel-Group will nicht nur in Zukäufe investieren, sondern vor allem in ihre Infrastruktur. In den kommenden zehn Jahren sollen 800 Millionen bis zu 1 Milliarde Euro für neue Terminals sowie die IT ausgegeben werden, kündigt Taucke darüber hinaus an – somit rund 100 Millionen Euro pro Jahr statt bisher 20 bis 35 Millionen in den vergangenen Jahren.
Aktuell laufen Projekte, mit jeweils unterschiedlichen Reifegraden, in Bochum, Buxheim/Allgäu, Nürnberg, Schweitenkirchen bei München sowie Hamburg in Deutschland. Zwei weitere in Polen und Dänemark kommen hinzu. In der Summe werden so 150.000 Quadratmeter neue Flächen geschaffen, betont Taucke. Teil des Programms ist auch die IT mit einem Investitionsvolumen von 65 Millionen Euro. Dafür werden die kaufmännischen Prozesse auf das neue SAPS/4Hana-System umgestellt und die operative Software wie TMS und WMS erneuert.
Die dreijährige Umstrukturierungsphase des in Versmold beheimateten Unternehmen sieht Taucke als abgeschlossen an. In diesem Zeitraum hat sich die Nagel-Group aus einigen Ländern mit eigenen Organisationen zurückgezogen – Frankreich, Italien, Benelux und UK, zählt der CEO auf. Zudem konnten in anderen Ländern die Ergebnisse in die Gewinnzone gedreht werden.
„Wir konzentrieren uns jetzt auf unsere Kernmärkte. Dies sind die Regionen DACH, die Nordics und Osteuropa.“ Dort kann er sich auch für das traditionelle Lebensmittelgeschäft Zukäufe vorstellen.
Wichtige Maßnahmen in der Restrukturierungsphase waren die Reduzierung der Personalkosten, der Kapazität, die Trennung von unprofitablen Kunden sowie neue Produkte. „Wir haben unser Netzwerk restrukturiert und halten nicht mehr die großen Reservekapazitäten vor wie noch vor einigen Jahren.“ Dazu wurden zwar einige Standorte vom Netz genommen. Aber: Nahezu alle der vor vier Jahren verkauften und zurückgeleasten 34 Terminals sind noch in Nagel-Betrieb.
Zudem wurde die Produktpalette umgestellt. Gab es früher ein Standardprodukt mit hoher Servicequalität – Taucke spricht von Lieferzuverlässigkeitsquoten mit bis zu 98 Prozent –, so gibt es heute ein Standardprodukt und Premiumprodukte mit Aufpreisen. Derartig hohe Quoten sind angesichts der Kapazitätsengpässe „einfach nicht mehr einhaltbar“. Zudem habe die vorzuhaltende Kapazität massiv Geld gekostet.
Die Maßnahmen zahlen sich auch in der Bilanz aus. So werden nach dem schwierigen Jahr 2017 mit tiefroten Zahlen inzwischen wieder kontinuierlich schwarze Zahlen geschrieben. Betrug der um Sondereffekte bereinigte Konzernjahresüberschuss 2019 schon 31 Millionen Euro, so waren es in den beiden vergangenen Jahren 58,7 und 65,9 Millionen Euro. „Und das, obwohl wir in den vergangenen drei Jahren rund 250 Millionen Euro Jahresumsatz durch die Verkäufe abgegeben haben.“ Durch die B+S-Übernahme kommen im laufenden Jahr aber 100 Millionen hinzu, und „wir konnten allein in den ersten sechs Monaten weitere 50 Millionen Neuumsatz generieren“, freut er sich.
Für 2022 strebt Taucke einen leicht gestiegenen Konzernumsatz von knapp 2 Milliarden Euro an. Und was wird übrigbleiben? Das mag er derzeit angesichts der zahlreichen Unsicherheiten auf dem Markt nicht einschätzen. „Wenn wir das Ergebnis halten können, wäre das ein großer Erfolg.“
Der Bericht „Nagel-Group sucht Kaufoptionen“ ist von Lutz Lauenroth am 17.08.2022 in der DVZ erschienen. Hier geht es zum Originalbericht.
Über die Nagel-Group
Die auf Lebensmittellogistik spezialisierte und europaweit agierende Nagel-Group mit Sitz in Versmold beschäftigt an mehr als 130 Standorten über 12.000 Mitarbeiter. Zuletzt erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von 1,9 Milliarden Euro. Täglich bewegt die Unternehmensgruppe Lebensmittel in allen Sendungsgrößen und Temperaturklassen. Ob Tiefkühlprodukte, Fleisch, Milchprodukte, Kaffee oder Süßwaren – Tag für Tag trägt die Nagel-Group im Auftrag von Industrie und Handel dazu bei, dass Verbraucher in ganz Europa am Point of Sale die richtige Ware zur richtigen Zeit und in der richtigen Qualität vorfinden. Damit leistet die Nagel-Group einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg ihrer Kunden.