Österreichische Verkehrszeitung: „Lebensmittellogistik bis zum Gefrierpunkt“

Nagel Austria versteht sich als Partner für den Transport und für die Lagerung von temperaturgeführten Lebensmitteln. Die vier österreichischen Niederlassungen sind ein wichtiger Bestandteil im europaweiten Netzwerk der Nagel-Group. Anfang April startet der um 25 Mio. Euro errichtete neue Standort in Radfeld den Betrieb.

Johannes Winterleitner, Managing Director Nagel Austria

TRAISKIRCHEN. Vor 26 Jahren gründete der deutsche Lebensmittellogistiker Nagel-Group eine eigene Landesgesellschaft in Österreich. Daraus entstand eine stattliche Organisation. Nagel Austria beschäftigt aktuell knapp 500 Mitarbeitende und hat im Jahr 2022 mehr als 100 Mio. Euro Umsatz erwirtschaftet. „Wir betreuen unsere Kunden umfassend in den Segmenten Ultra-Frische, Frische, Ambient und Trockenware“, sagt Johannes Winterleitner, Managing Director Nagel Austria. Circa 80 Prozent des Aufkommens bewegt das Unternehmen im nationalen Verkehr. Zudem ermöglicht man den Kunden den europaweiten Export mit direkten Linien nach Deutschland, Italien, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien und Kroatien. Für viele Nahrungs- und Genussmittel gilt das Prinzip der kurzen und sicheren Wege. Jeder Tag Transportzeit ist einer zu viel.

Allerdings handelt es sich bei vielen Kunden von Nagel Austria um arrivierte Produzenten von Süßwaren, Fleisch- und Molkereiprodukten mit einer starken Marktdurchdringung in Österreich. Ihre Chancen für ein weiteres kontinuierliches Wachstum liegen im Ausland. Daher erwartet Johannes Winterleitner in den nächsten Jahren ein Mengenplus auf den Exportrelationen. „Wir reagieren darauf mit einer neuen täglichen Sammelgutlinie von Tirol nach Trento in Italien. Sie startet am 1. Mai und ergänzt unsere bewährte Verbindung von Tirol nach Verona“, räumt er im Gespräch mit der Österreichischen Verkehrszeitung ein. Die Nagel-Group biete eine europaweite Lebensmittellogistik bis hin zur flächendeckenden Stückgutdistribution im eigenen Netzwerk in Österreich.

Obwohl die Lebensmittelbranche sowohl bei der Artikelanzahl als auch bei den Produktionsmengen stetig leicht wächst, stellt sie die Logistikdienstleister laufend vor neue Herausforderungen. Im Jahr 2023 beobachtet Johannes Winterleitner ein deutliches Mengenplus bei den Eigenmarken des Lebensmittelhandels. Die Tonnagen steigen bei einer stagnierenden Sendungsanzahl. Damit verbunden sind die exemplarisch strengen Hygienevorgaben und der Anspruch nach möglichst kurzen Laufzeiten. Noch bedient Nagel Austria hauptsächlich Kunden aus der Lebensmittelindustrie. Ihre Produkte werden täglich abgeholt und im Inland längstens in 24 Stunden zu den Zentrallager-Standorten der Lebensmittelhändler, zu Weiterverarbeitern oder zu Gastronomie-/Beherbergungsbetrieben, Krankenhäusern und Großverbrauchern geliefert.

Das könnte sich mittelfristig ändern. Was in zahlreichen europäischen Ländern schon stark ausgeprägt ist, scheint auch in Österreich ein Trend zu werden. Gemeint ist die Steuerung der Beschaffungslogistik durch die Handelsketten. Der Lebensmittelhandel kann so die Eingangsmengen steuern und Vorteile bei den Einkaufspreisen erzielen. Die Logistiker würden ihre Dienstleistungen dann an die Handelskonzerne verrechnen. Man werde sich darauf einstellen, kündigt Johannes Winterleitner an. Er kennt und schätzt das Leistungsvermögen seines Teams. Das habe sich in der Corona-Pandemie bewährt und helfe dem Unternehmen auch bei der Bewältigung der kürzer und intensiver werdenden Saisonspitzen vor den Osterund Weihnachtsfeiertagen. Die Folgeerscheinung davon sind die ausgeprägteren Nebensaisonen.

Visualisierung des neuen Warehouses in Radfeld

Ergänzend zu den Transportdienstleistungen betätigt sich Nagel Austria auch in der Kontraktlogistik. Dafür bewirtschaftet das Unternehmen rund 40.000 m² Lager- und Umschlagfläche an den Standorten Traiskirchen (Zentrale), St. Florian bei Linz, Zettling bei Graz und Kramsach. An den ersten beiden Plätzen gibt es fast 35.000 Palettenstellplätze für Warehousing + Fulfilment. „Wir sind voll ausgelastet und suchen seit geraumer Zeit eine Erweiterungsfläche in Oberösterreich“, bestätigt Johannes Winterleitner auf Anfrage. In Radfeld in Tirol eröffnet der Lebensmittellogistiker am 1. April einen neuen Crossdocking-Standort mit 4.500 m² Umschlagfläche. Die 25 Mio. Euro Investition ersetzt die 2.500 m² große Logistikanlage in Kramsach, die sich in Zukunft mit Warehousing und Fulfilment befasst. „Wir werden unser Netzwerk in Österreich weiterentwickeln und modernisieren“, kündigt Johannes Winterleitner an. Dafür benötigt Nagel Austria geschultes Personal, das den richtigen Umgang mit Lebensmitteln beherrscht. Speziell in Oberösterreich ist die Situation am Arbeitsmarkt sehr angespannt. Hingegen kann das Unternehmen in Traiskirchen und Zettling auch auf Bewerber aus Ungarn, Slowakei und Slowenien zurückgreifen.

Die in Versmold in Westfalen ansässige Nagel-Group beschäftigt europaweit 11.500 Mitarbeitende und erzielt rund 2,1 Mrd. Euro Jahresumsatz. Das Familienunternehmen bewegt Lebensmittel in allen Sendungsgrößen und Temperaturklassen. Darunter befinden sich auch tiefgekühlte Produkte. Allerdings meidet Nagel Austria dieses Segment, weil der TK-Logistikmarkt in Österreich mit zwei starken Anbietern voll besetzt ist und keinen dritten Spezialisten verträgt.

JOACHIM HORVATH

 

Der Bericht „Lebensmittellogistik bis zum Gefrierpunkt“ ist von Joachim Horvath am 17.03.2032 in der Österreichischen Verkehrszeitung, Heft 7-9/2023 erschienen.