LOGISTIK-HEUTE-Bericht: Frisch in die City

Das Jungunternehmen Leafr bietet die Versorgung von B2B-Kunden mit temperaturgeführten Lebensmitteln in Hamburg an. Warum Nachhaltigkeit dabei eine entscheidende Rolle spielt.

Frische Zutaten für Restaurantküchen, Snacks und Getränke an Tankstellen sowie Kiosken. Oder die Versorgung mit Lebensmitteln in Pflegeheimen, Krankenhäusern und Kindertagesstätten sowie dem Handel: Die Anzahl an Einrichtungen, die täglich mit temperaturgeführten Nahrungsmitteln beliefert werden, ist vor allem in Großstädten riesig. Hier setzt das Geschäftsmodell des Hamburger Start-ups Leafr – mit dem Logo LEAFR – an, dem ersten Corporate Venture des Logistikdienstleisters Nagel-Group. Was die Idee hinter der hauseigenen Ausgründung besonders macht? Der Fokus auf Nachhaltigkeit.

„Bislang wird die Logistik für Kühltransporte in Städten meist von Speditionen übernommen – häufig mit Mitteln, die weder für urbane Räume geeignet noch umweltfreundlich sind. Ein Konzept, das bereits in einigen Jahren nicht mehr tragfähig sein wird“, sagt Maurice Landwehr, CEO von Leafr. „Die meisten größeren Städte bemühen sich aktuell darum, ihre Emissionen – besonders im Verkehrssektor – zu reduzieren. Dazu zählt auch Hamburg, die Stadt, in der wir unsere Dienste momentan anbieten. Um die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen, muss sich deshalb auch im täglichen Lieferverkehr etwas ändern“, erläutert Landwehr im Gespräch mit LOGISTIK HEUTE.

Verpackungsmüll vermeiden

Aus diesem Grund versorgt das Jungunternehmen seine Kunden mit gekühlten Speisen und Lebensmitteln bereits jetzt ausschließlich mit batterieelektrisch angetriebenen Fahrzeugen und verzichtet bewusst auf überflüssige Verpackungen. „In unseren Liefervans ist eine batteriebetriebene Kühlbox integriert, die für unterschiedliche Temperaturzonen geeignet ist. Dadurch benötigen wir weder externe Kühlelemente oder Trockeneis noch brauchen wir Styroporboxen für den Transport“, so Landwehr. Damit sollen die Nachhaltigkeitsbemühungen von Leafr aber noch kein Ende finden. Vor allem auf operativer Ebene möchte das Unternehmen weiter in klimafreundliches Handeln investieren.

Intensiv beschäftigen sich Landwehr und seine beiden Geschäftsführungskollegen, Bastian Schwarz und Sören Loeck, mit dem Einsatz von E-Lastenrädern mit aktiver Kühlung – hierfür müssen Micro-Hubs in die aktuellen Prozesse eingebunden werden. „Das Thema Micro-Hub liegt bei urbaner Logistik natürlich irgendwie nahe, ist aber in Sachen temperaturgeführter Transport noch eine enorme Herausforderung, der wir uns allerdings bereits widmen“, wie der CEO im  Interview verrät. „Bis jetzt gibt es für Lastenräder noch keine marktreife batteriebetriebene Kühllösung, wie wir sie in unseren E-Fahrzeugen verwenden. Gemeinsam mit Partnern arbeiten wir von Leafr aber daran, mit einer solchen Anwendung in Serie gehen zu können. Das ist zwar noch Zukunftsmusik, würde uns aber eine noch umweltbewusstere Zustellung ermöglichen.“

Und auch die sozialen Aspekte von Nachhaltigkeit plant Leafr, über kurz oder lang anzugehen. So möchten Landwehr und seine beiden Mitstreiter vor allem einen besseren Umgang mit den Fahrern etablieren. Einen eigenen Angestelltenpool statt der Beauftragung von Subunternehmen und eine vernünftige Ausstattung der Fahrer sieht Landwehr dafür als essenziell an. „Für uns steht nicht im Vordergrund, dass unser Personal am Tag möglichst viele Touren schafft und dafür incentiviert wird, sondern dass unsere Kunden mit der Leistung zufrieden sind. Dazu gehört, dass Fahrer eine Beziehung zu unserer Klientel aufbauen und genau wissen, welche Ansprüche und Anforderungen die Kunden haben.“

Es anders zu machen als der Wettbewerb und etwas wirklich Neues auf die Beine zu stellen, stand bei Leafr von Beginn an im Mittelpunkt. Die Nagel-Group als Hauptinvestor wollte mit der Entwicklung des Start-up-Konzepts nicht nur das eigene Portfolio um eine Komponente erweitern, sondern auch eine Innovation an den Markt bringen. „Leafr ist Teil der Innovationsstrategie der Nagel-Group. Deshalb sollte sich das Konzept an  Zukunftsthemen orientieren – Nachhaltigkeit ist eines davon. Das Ganze mit urbaner Frischelogistik zu verknüpfen ist eine Idee, die im internen Innovationsprozess entstanden ist und beim Vorstand großen Anklang fand. Kurz darauf fragte man mich, ob ich mir vorstellen könnte, daraus ein tragfähiges Geschäftsmodell zu machen“, erläutert Landwehr.

Dabei unterstützt die Nagel-Group Leafr jedoch nicht nur mit Ideen und in finanziellen Belangen. Dem Dienstleister ist auch nach der Ausgründung sehr daran gelegen, das Jungunternehmen mit Ressourcen auf seinem Weg zu begleiten – sei es durch logistische Infrastruktur, fachlichen Austausch oder die Vermittlung von Kunden. „Wir beliefern unsere Kunden aktuell aus dem Nagel-Verteilzentrum in Hamburg-Allermöhe, wo wir zwar einen eigenen Lagerbereich haben, aber auf die Unterstützung der Nagel-Kollegen zählen können. Das gilt auch, wenn es um Fragen oder die  Weiterentwicklung unseres Portfolios geht. Jeder in der Nagel-Group ist für uns ansprechbar und freut sich, einen Beitrag zu unserem Erfolg leisten zu können. Wir sind uns bewusst darüber, dass es ein Privileg ist, auf vorhandenen Logistikstrukturen und einem bereits bestehenden  Kundenstamm  aufzubauen. Noch mehr bedeutet uns aber der mentale Support, den wir vom Mutterunternehmen erfahren“, so der Leafr-CEO.

Besser werden und wachsen

Dadurch soll es dem Corporate Startup auch gelingen, sein Geschäftsmodell zu skalieren. „Fürs erste Jahr haben wir uns insbesondere die Optimierung unserer operativen Prozesse vorgenommen. Momentan arbeiten wir im Zweischichtbetrieb und liefern jeweils vormittags und nachmittags an etwa 50 bis 60 Kunden aus. Wir möchten uns daher überlegen, wie wir mit diesem Klientenvolumen weiterwachsen und noch besser in unserem Job werden können“, sagt Landwehr. Obgleich der Fokus des im Januar 2023 gegründeten Start-ups aktuell auf Hamburg und der  Verbesserung von Services vor Ort liegt, kann sich der studierte Betriebswirt gut vorstellen, dass Leafr seine Dienste perspektivisch auch außerhalb der Hansestadt anbietet. „Wir sehen Hamburg als Sprungbrett für unser Konzept und würden uns natürlich freuen, wenn wir – am besten gemeinsam mit einem Kunden – die Möglichkeit hätten, in eine weitere größere Stadt oder Metropolregion zu expandieren.“ Doch egal wohin die Reise geht, Landwehr selbst hat sich einen seiner größten Wünsche mit der Gründung des Frischelieferdienstes bereits erfüllt: „Ich wollte mich innerhalb der Nagel-Group weiterentwickeln, nicht mehr nur im Salesbereich arbeiten. Da kam die Idee mit Leafr wie gerufen. Heute bin ich neben dem Vertrieb für viele andere Bereiche zuständig, zum Beispiel für Personalangelegenheiten und operative Belange. Gelegentlich fahren wir von der  Geschäftsleitung auch mal selbst Lieferungen aus, um uns ein genaues Bild von unseren Kunden zu machen. Das alles hat mir die Möglichkeit gegeben, über den Tellerrand zu schauen und das ist genau das, was ich will.“

 

Der Bericht „Frisch in die City“ ist von Sandra Lehmann am 15.09.2023 in der Logistik-Heute erschienen. Hier geht es zum Originalbericht.