Temperatur im Griff: Temperaturüberwachung mit IoT für mehr Transparenz, Sicherheit und Effizienz
Damit frische Lebensmittel sicher vom Produktionsstandort bis ins Regal gelangen, sind stabile Temperaturverhältnisse entlang der gesamten Logistikkette wichtig. Um diesen Qualitätsstandard zu erhöhen und gleichzeitig Prozesse effizienter zu gestalten, hat die Nagel-Group gemeinsam mit dem Technologieunternehmen Enerthing ein innovatives System zur Temperaturüberwachung entwickelt. Ziel ist es, Temperaturverläufe lückenlos zu dokumentieren, Schwankungen frühzeitig zu erkennen und Energieeinsparpotenziale systematisch zu nutzen.
„Enerthing ist für uns der ideale Retrofit-Implementierungspartner“, sagt Jannis Pohl, Projektmanager IoT bei der Nagel-Group. Der Grundstein für die Zusammenarbeit mit Enerthing wurde 2022 gelegt. Innerhalb von drei Monaten entwickelten die Projektpartner eine erste Lösung, die bereits im Juni desselben Jahres erfolgreich am ersten Standort implementiert wurde. Das System besteht aus autarken IoT-Sensoren, die die tatsächliche Temperatur im Lagerbereich erfassen und bei Abweichungen automatisch Alarm schlagen.
Auslöser für das Projekt waren neben Effizienzsteigerungen und der Erfüllung der HACCP Anforderung auch strategische Ziele im Bereich Nachhaltigkeit. So unterstützt die neue Lösung die Umsetzung von ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance), insbesondere im Hinblick auf Umweltverantwortung und Ressourcenschonung. Gleichzeitig wird die Reportingfähigkeit deutlich verbessert – ein zunehmend wichtiger Aspekt im Hinblick auf regulatorische Anforderungen wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die EU-Taxonomieverordnung.
Bereits in der Konzeptionsphase wurden in enger Zusammenarbeit mit dem Qualitätsmanagement die Mindestanforderungen an die Sensoren festgelegt und standortspezifische Anforderungen berücksichtigt. So wurde festgelegt, wie viele Sensoren je nach Größe der Halle platziert werden müssen, um eine lückenlose Überprüfung der Umgebungstemperatur zu gewährleisten. Mittlerweile ist die Technologie an 64 deutschen Standorten der Nagel-Group im Einsatz – bis Ende 2026 sollen weitere 46 Niederlassungen folgen. „Unser Ziel ist eine flächendeckende und europaweit einheitliche Lösung, die bestehende Systeme ablöst“, erklärt Andreas Kaup, Steuerungstechniker Real Estate bei der Nagel-Group.
Prozesssicherheit durch intelligente Temperaturüberwachung
Die Sensoren arbeiten völlig autark – ohne Batterien oder externe Stromversorgung. Sie beziehen ihre Energie aus der Hallenbeleuchtung und speichern diese in einem integrierten Akku. Aufgrund dieses Vorteils können die Sensoren innerhalb eines Tages in die vorhandene Infrastruktur integriert werden. Darüber hinaus sind die Geräte wartungsfrei. „Wir versuchen immer unsere Lösungen nahtlos in bestehende Prozesse zu integrieren: mit so wenig Aufwand wie nötig und so schnell wie möglich“, so Dr. Michael Niggemann, Geschäftsführer von Enerthing.
Im Gegensatz zur bisherigen Lösung, wurden die Anzahl der Sensoren erhöht und Platzierungen optimiert, sodass die neue sekundäre Temperaturüberwachung die Temperatur näher an der Ware misst – in unterschiedlichen Höhen und in unmittelbarer Nähe zu den Regalen. Dadurch erhält man aussagekräftigere Werte, die zur Berechnung einer durchschnittlichen Raumtemperatur herangezogen werden. Diese wird automatisch an die cloudbasierte Plattform enerCloud übermittelt und kann jederzeit und überall abgerufen werden. Das System erkennt frühzeitig, wenn die Temperatur vom Sollwert abweicht – noch bevor kritische Grenzwerte überschritten werden. In diesem Fall werden die verantwortlichen Personen automatisch per E-Mail informiert, ehe die Alarmkette in Gang gesetzt wird. Die Alarmpläne können individuell an den jeweiligen Standort und die Tageszeit (z. B. Werktag, Wochenende, Nachtbetrieb) angepasst werden, um eine schnelle Reaktion und ein rechtzeitiges Eingreifen zu gewährleisten.
Darüber hinaus lassen sich aus den Daten Handlungsoptionen ableiten. „So können wir erkennen, ob eine Halle eventuell zu stark gekühlt wird“, erklärt Jannis Pohl. „Das hilft uns dabei, die Temperaturen gezielt anzupassen und so Energie zu sparen.“.
Neben Temperaturabweichungen registrieren die Sensoren auch starke Erschütterungen, die auf mögliche Manipulationen oder Beschädigungen hinweisen können. Auch in solch einem Fall wird ein Alarm ausgelöst. Das System ist zudem auf einen Netzwerkausfall vorbereitet: Die Sensoren können Temperaturdaten bis zu 72 Stunden lokal speichern und automatisch übertragen, sobald die Verbindung wiederhergestellt ist. Bereits eine Stunde nach Ausfall des Systems erfolgt eine Benachrichtigung an die zuständigen Personen, um eine manuelle Kontrolle zu ermöglichen. Der bestehende Wartungsvertrag berücksichtigt sämtliche Ausfalloptionen, sodass innerhalb eines Zeitfensters von 72 Stunden kurzfristig reagiert und gegengesteuert werden kann.
Sensorik als Schlüssel zu effizientem Energiemanagement
Neben der Temperatur ist in bestimmten Fällen auch die Luftfeuchtigkeit ein wichtiger Faktor, etwa bei der Lagerung und Reifung von Käse. Auch dazu liefern die Sensoren wertvolle Daten: Die Funktion kann bei Bedarf per Fernzugriff aktiviert werden. So kann jeder Standort individuell entscheiden, ob er davon Gebrauch machen möchte.
Darüber hinaus können die gewonnenen Temperaturdaten auch für das Energiemanagement genutzt werden. Sie geben beispielsweise Auskunft darüber, wie viel Kältereserve vorhanden ist und ob diese für anstehende Lieferungen genutzt werden kann. So lassen sich Energiekosten besser planen und gezielt reduzieren.
Zukunftsweisende Weiterentwicklungen
„Enerthing reagiert immer flexibel und schnell auf unsere Wünsche, deshalb werden wir gemeinsam mit ihnen unsere Infrastruktur mit den Systemen weiterentwickeln“, sagt Andreas Kaup. Aktuell wird an Torsensoren gearbeitet, die mögliche Energieverluste beim Öffnen und Schließen von Lagertoren analysieren sollen. Ziel ist es, die auftretenden Verlustmechanismen besser zu verstehen, monetär zu bewerten und gezielte Maßnahmen zur Effizienzsteigerung abzuleiten. Künftig sollen auch die Laufzeiten der Tore erfasst werden, um Veränderungen zu erkennen, die auf Vereisungen hindeuten – so können bei abweichenden Laufzeiten Alarmierungen ausgelöst und rechtzeitig Maßnahmen zum Enteisen eingeleitet werden.
„Ist die Infrastruktur erst einmal aufgebaut, lassen sich neue Anwendungen leicht integrieren“, erklärt Jannis Pohl. „Derzeit analysieren wir alle erfassten Daten, um weitere Use Cases zu entwickeln.“ Auch erste Tests im Bereich Künstliche Intelligenz wie der KI-gesteuerte Stromeinkauf laufen bereits.
Mit dieser Innovation in der Lebensmittellogistik geht die Nagel-Group einen weiteren Schritt in Richtung eines nachhaltigen und energieeffizienten Betriebs – und bietet ihren Kunden mehr Transparenz, Sicherheit und höhere Qualität entlang der gesamten Lieferkette.